Idee und Entstehung

Interview mit Annerose Beer im Dezember 2012.

 

Veronika Brock-Frilling – heute 1. Vorsitzende des Vereins – besuchte im Sommer 1998 ihre Schwester Annerose Beer in Kamuli. Annerose arbeitete damals im Auftrag des „Deutscher Entwicklungsdienst" (DED) als Lehrhebamme am Kamuli Mission Hospital. Dieser Besuch war die Initialzündung zur Unterstützung ugandischer Mädchen.

 

Wir haben Annerose gebeten, uns davon zu berichten.

 

Annerose Beer gemeinsam mit einigen Kolleginnen in Kamuli

 

Wann bist Du nach Uganda und dort nach Kamuli gegangen und wie lange bist Du geblieben?

 

Ich bin im April 1998 als Lehrhebamme im Kamuli Mission Hospital angefangen und habe dort zwei Jahre gearbeitet.

 

 

Welche Lebens- und Arbeitsverhältnisse hast Du vorgefunden?

 

Ich wurde zwar vom DED gut auf meine Tätigkeit in Kamuli vorbereitet, dennoch musste ich vieleneue und intensive Eindrücke erst verarbeiten. Uganda war durch die Diktatur Idi Amins (von 1971 bis 1979) und durch Stammeskämpfe stark geschwächt. Nur mühsam konnten sich Land und Leute davon erholen. Dann kam eine neue Geißel: Aids. Uganda war zu der Zeit das Land mit der höchsten Aidsrate der Welt. Jede zweite Familie musste ohne ein oder beide Elternteil(e) auskommen, nicht nur wegen Tod, sondern auch, weil neue Partnerschaften eingegangen wurden. Somit wurden oft 8 bis 12 Kinder innerhalb einer Familie Halb- bzw. Vollwaisen bzw. mussten von einem Elternteil ernährt werden. Das hatte verheerende Auswirkung auf deren Aus- und Weiterbildung, die nach wie vor durch das Bildungssystem des Vereinigten Königreich geprägt ist, sprich es ist Schulgeld zu zahlen. Aus Kostengründen wurden dann in erster Linie die Jungen zur Schule geschickt, so dass die meisten Mädchen weder lesen noch schreiben konnten, geschweige denn die Landessprache Englisch beherrschten. Sie sprachen ihren regionalen Dialekt.

 

 

Wie haben die Menschen gelebt und sich ernährt?

 

Die Menschen haben vielfach in Rundhütten ohne Wasser und Strom gelebt. Das Wasser wurde von den Frauen mit Kanistern, die sie auf dem Kopf trugen, geholt. Es war schwere Arbeit.

 

Die Mahlzeiten bestanden zumeist aus Matoke, das ist ein in Uganda beliebter Kochbananenbrei, serviert mit Erdnusssoße. Oder es gab Pocho, das ist Maisbrei. Oder Bohnengerichte. Danach oft Ananas, Mangos oder Maracujas. Auch Avocados und Auberginen wurden gegessen, dazu Kasava oder besser bekannt als Maniok. Ganz selten gab es Nudeln oder Kartoffeln und wenn, dann bei den gut situierten Leuten. Fleisch kam nur an besonderen Festtagen auf den Tisch, meistens Hähnchen. Viele Afrikaner aßen mit den Fingern und auf dem Boden sitzend. Kleinere Kinder wurden von der Hand in den Mund gefüttert. Der Boden war in den Rundhütten mit selbst geflochtenen Bastmatten ausgelegt.

 

 

Jetzt hast Du das Umfeld beschrieben. Wie war Deine Situation konkret?

 

Ich habe ein kleines Haus mit Garten bewohnt. Aus Sicherheitsgründen wurde es von einem sog. Watchman bewacht. Das ist ein bewaffneter Mann, der persönliche Unversehrtheit gewährleisten soll, also faktisch ein Bodyguard. Ich konnte mich aber frei bewegen, wenngleich mir immer bewusst war, dass es Gefahren gab.

 

Im Kamuli Mission Hospital – ein privates, gemeinnütziges Krankenhaus - gibt es eine Nursing and Midwifery School, auf Deutsch eine Schule für die Ausbildung von Krankenschwestern und Hebammen. Dort wurden zu meiner Zeit ca. 120 Mädchen im Alter von 14 bis 16 Jahren theoretisch und praktisch ausgebildet. Die Schule wurde – und wird bis heute – von den Little Sisters of St. Francis, also Ordensfrauen (Franziskanerinnen) geleitet. Ich habe als Lehrhebamme in einem Team mit einheimischen Frauen gearbeitet.

 

Die ausgebildeten Mädchen waren privilegiert. Viele, die entweder das Schulgeld gar nicht oder nach Beginn der Ausbildung drei Monate nicht zahlen konnten, mussten wieder zurückgeschickt werden, obwohl sie fleißig und bildungshungrig waren. Einige haben sich prostituiert, um sich selbst das Geld für die Ausbildung zu beschaffen. Oft waren Fehlgeburten, Aids und manchmal auch der Tod die schrecklichen Folgen. Gleichwohl haben die Mädchen diese Anstrengungen und die Risiken auf sich genommen, weil es oft die einzige Chance war, den Teufelskreis von Armut und Abhängigkeit in der Ehe zu durchbrechen. Überall auf der Welt bedeutet Bildung auch Entwicklung für sich selbst und für die Gemeinschaft.

                  

 

Woher kamen die auszubildenden Mädchen?

 

Viele aus der näheren Umgebung. Sie haben oft lange Wegstrecken, die zu Fuß bewältigt werden mussten und gefahrvoll waren, auf sich genommen. Andere, die nicht täglich pendeln konnten, haben bei sog. „Sugar Daddys“ übernachtet, mussten dafür aber mit ihrem Körper bezahlen. Leider ist dies in ärmeren Ländern nicht unüblich. Deshalb hat sich der Begriff eingebürgert.

 

 

Wie hast Du diese Lebensumstände empfunden?

 

Oft quälend. Aber ich musste mich arrangieren, schon, um mich innerlich selbst zu schützen. Und es gab andererseits viel Positives. So waren die große Lernbereitschaft und die Lebensfreude der Mädchen immer wieder ermutigend und auch ansteckend. Sie haben viel gesungen und gelacht. Und ich habe viel Dankbarkeit erfahren. Dies hat mich sehr gestärkt und mir das Gefühl von Zufriedenheit vermittelt.

 

 

Wie hast Du reagiert, als Deine Schwester Dich besuchen wollte, nachdem Du wenige Monate in Kamuli warst?

 

Ich habe mich gefreut.

 

 

Wie hat Veronika die von Dir gerade beschriebenen Sachverhalte aufgenommen?

 

Sie ist in das dortige Leben eingetaucht, hat die Arbeit im Krankenhaus und in der Schule hautnah erlebt. Sie hat mit den Ordensschwestern schnell Kontakt geschlossen und das Leben der Mädchen kennengelernt, noch ohne die Rolle der Sugar Daddys. Das hat sie erst ein Jahr später erfahren. Schnell ist der Gedanke entstanden: „Wir müssen etwas tun.“ Unser Glaube hat sicher eine Rolle gespielt, aber das war es nicht allein. Wir waren der Überzeugung, dass mit verhältnismäßig geringen Mitteln bedeutende Veränderungen vor Ort geschaffen werden konnten, sei es die Reparatur des Krankenhauses, das an einigen Stellen sehr marode war, sei es die Ausbildung der Mädchen. Und es kristallisierte sich heraus, dass nur Mädchen, da sie per se weniger Chancen hatten, unterstützt werden sollten. Veronika war auch überzeugt davon, dass es gelingen würde, Spenden zu bekommen. Und so ist es dann ja auch geschehen.

 

Ja, das war der Anfang. Die weitere Entwicklung kennt ihr. Aber mir ist noch folgendes wichtig: Ich habe immer in der Vergangenheit erzählt, weil ich von eigenen Erfahrungen berichtet habe. Einiges hat sich zwischenzeitlich verändert. Vieles ist aber geblieben. Leider auch die Armut und die fehlende Ausbildung für viele Menschen in Kamuli. Deshalb ist Hilfe weiter dringend nötig.

 

Danke!

                                      



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